ĂL Lecker Eintopf
Wer auf einen intelligent gestrickten Indierock mit Pop-Appeal steht, liegt bei der neuen Scheibe von ĂL richtig. Die fĂŒnf Jungs setzen ganz bewusst auf eine
vielschichtige Song-AtmosphÀre und haben so mit "The Merging" ein kleines Meisterwerk geschafft. InMusic hatte die Gelegenheit zu einem Interview...
inMusic: Vielleicht könnt ihr mir zu Anfang etwas ĂŒber die bisherige Bandgeschichte von ĂL erzĂ€hlen? In der Vergangenheit gab es einige
Line-Up-Wechsel, hat sich das auch auf die musikalische Ausrichtung ausgewirkt?
ĂL: Uns gibt es mittlerweile seit 1996. Damals ist auch unser Bandname entstanden.
ĂL heiĂt auf dĂ€nisch "Bier", wobei wir wirklich nicht so viel Bier trinken, naja vertragen. Am Anfang haben wir viel grungiger geklungen als heute. Nirvana war eine
Band, die uns damals sehr beeinflusst hat. 2007 gab es dann die gröĂte Umstellung bei uns: neuer Gitarrist (Jens) und neuer Bassist (Marcus). Beide kannten wir
mindestens schon seit 15 Jahren. Dennoch war es wie ein musikalischer Neuanfang, der mit dem letzten FĂŒnftel Dirk (Synthie, Piano) im Jahre 2009 vollendet wurde.
Deshalb kann man auch sagen, dass sich unsere Musik stetig weiterentwickelt hat und dies natĂŒrlich auch zukĂŒnftig tun wird. Wir haben jede Menge Ideen und wollen
uns ganz bewusst nicht in eine bestimmte Schublade schieben lassen...
inMusic: In euren Sound habt ihr auch so manches kleines Detail eingebaut: analoges Plattenknistern (Intro zu "Let It Roll") , kurze
VerstĂ€rkerrĂŒckkopplung (Anfang von "Goodbye") oder ausgelassen heitere Jam-Stimmung (am Ende von "Donât Ask Why"). Eure Songarrangements
sind ausgeklĂŒgelt, wirken aber nicht ĂŒberladen. War es im Studio eigentlich schwer, diese Balance zu halten und eine Nummer nicht mit unnötigem musikalischen Ballast zu ĂŒberfrachten?
ĂL: Es macht uns einfach SpaĂ, kleine Details einzubauen. Dadurch kann man bei
jedem Hördurchlauf etwas Neues entdecken. Bei ĂL geht es darum, immer erstmal Ideen zu sammeln, auszuprobieren und auch aufzunehmen. Diese KreativitĂ€t macht
uns aus, und viele Nuancen wÀren ohne sie gar nicht entstanden. Auf der anderen Seite ist aber keiner so eitel, dass er ein Problem damit hat, wenn Spuren, die den
Song ĂŒberfrachten oder zerhauen, wieder gelöscht werden. Deshalb fĂ€llt es uns eigentlich nicht schwer, die von dir angesprochene Balance zu halten. Und falls
unsere Ideen doch mal wieder zu viel werden, machen wir einfach einen neuen Song draus (siehe "The Merging").
inMusic: Was könnt ihr mir denn ĂŒber die eigentlichen Studioaufnahmen erzĂ€hlen, die von November 2009 bis Juli 2010 gedauert haben?
ĂL: Wir haben uns die Zeit genommen, die wir gebraucht haben, um viele Dinge
auszutesten, mit Sounds zu spielen und unsere musikalischen GĂ€ste wirkungsvoll einzubeziehen. Das mag in der heutigen Zeit ein Luxus sein, aber uns war es wichtig,
am Ende mit einem Album dazustehen, das alle ĂLis geil finden. Aufgenommen haben wir im Overdubverfahren, also jedes Instrument einzeln. Sascha (Schlagzeug)
ĂŒbernimmt bei uns den Part der Aufnahmeleitung, weil er dafĂŒr das nötige technische VerstĂ€ndnis hat. Da wir möglichst auf synthetische Instrumente verzichtet haben,
wurde alles von richtigen Instrumenten eingespielt, z.B. die Streicher ("Faith", "Donât
Ask Why", "The Truth") und die BlĂ€ser ("Canât stand, "Let It Roll"). Ăbrigens haben wir die Aufnahme auf Video dokumentiert. Die Filme kann man auf unserer Homepage
anschauen.
inMusic: Das endgĂŒltige Mastering fand in der bluMasterBox in Troisdorf im September 2010 statt. Worauf habt ihr da euer Augenmerk gelegt?
ĂL: Wir arbeiten schon seit Jahren im Masteringbereich mit Keule aus Troisdorf
zusammen. Er hat das nötige FingerspitzengefĂŒhl, um Produktionen den letzten Schliff zu geben. Wichtig war uns eine transparente und luftige Aufnahme. DafĂŒr
haben wir weitgehend auf Kompressoren verzichtet, weil diese das Endprodukt teilweise "zumatschen" können.
inMusic: Sind die musikalischen GĂ€ste auf der CD Freunde von euch oder wie kam es zur Zusammenarbeit?
ĂL: Zum GlĂŒck haben wir einen groĂen Musiker-Freundeskreis, so dass es kein
Problem war, an die BlĂ€sersektion und das Fagott zu kommen. Die Streicher waren auch gleich gefunden. Direkt ĂŒber unserem Tonstudio ist eine Musikschule, wo wir
uns die Streicher aus dem Orchester kurzerhand "ausgeliehen" haben. Es gab einige Vortreffen, um die ganzen Arrangements zu besprechen und die von uns
gelieferten Noten spielbar zu machen. Nach ein paar Aufnahmesessions war alles im Kasten. Mittlerweile begleiten uns die Streicher teilweise auch bei unseren Konzerten.
inMusic: Wie wĂŒrdet ihr den Sound von ĂL denn selbst beschreiben?
ĂL: Ein Suppenfan wĂŒrde sagen, dass wir wie ein leckerer Eintopf schmecken.
Eigentlich sind wir eine Alternative Rock Band, aber wir trauen uns auch durchaus mal, poppigere KlÀnge auszuprobieren. In unserem Alter kann man sich musikalische
Vielseitigkeit noch erlauben. Wir lassen uns nicht auf ein Genre beschrÀnken, sondern verzieren unsere Songs gerne mit Elementen, die man auf den ersten Blick
nicht erwartet. Das Interessante am neuen Album ist, dass man viele Details gar nicht bewusst hört, weil die Songs im Prinzip recht eingÀngig und straight forward klingen.
inMusic: Habt ihr bestimmte Lieblingssongs auf der Platte? Meine Favoriten
sind das hymnische und groovetechnisch toll aufgebaute "Fine" und das wunderbar schwelgerische "Let Yourself Go".
ĂL: Der absolute Favorit unseres SĂ€ngers Sebastian ist "The Truth". Die Streicher
und das Rhodes verleihen dem Song eine fast unbeschreibliche AtmosphÀre. "Just One Day" kommt direkt danach. Der Song geht einfach locker rein und macht live
super viel SpaĂ. Die Faves von Jens sind auf jeden Fall "Faith", "Let It Roll" und seit unserem Unplugged Konzert auch "Let Yourself Go".
inMusic: Welche Musik hört ihr eigentlich privat?
ĂL: Die Frage ist gar nicht so einfach. Die meiste Zeit ist es dann doch die eigene
Mucke. Bei etwa 250 Liedern vergisst man schnell mal eine Textpassage. Bei Aufnahmen kommt man gar nicht drum herum, die Takes immer wieder zu hören.
Wenn aber dann doch mal richtig viel Zeit ist, landet auch mal 'ne CD von Coldplay, Dredg, Tied & Tickled Trio oder Muse im CD Player...
inMusic: Welche AktivitĂ€ten stehen mit ĂL demnĂ€chst noch so an?
ĂL: Das nĂ€chste, was auf unserer langen Liste steht, ist ein Videodreh, der bis
Januar im Kasten sein soll. Das Booking fĂŒr 2011 lĂ€uft auch so langsam an. In dem Zusammenhang werden wir die Setlist fĂŒr die kommenden Konzerte festlegen.
Dazwischen wird je nach Zeit der eine oder andere Song komponiert. Danach konzentrieren wir uns voll und ganz auf unser Konzert am 28. Mai. An diesem Abend
werden wir nicht nur mit Streichern, BlĂ€sern und Chor auftreten, sondern auch noch unser 15 jĂ€hriges BandjubilĂ€um gebĂŒhrend feiern!
Rainer Guérich CD: The Merging (Art Development Productions/Kontor-New Media)
www.oel-music.de www.myspace.com/oelmusic
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