EXOTIC ZOOLOGY
Eine denkwürdige Liveperformance

Unter dem Namen “Exotic Zoology” erscheint bei dem Kirchheimer Label Frank Mark Arts ein außergewöhnlicher Livemitschnitt der beiden kalifornischen Improvisationskünstler Chuck Ehlis und Morgan Guberman. inMusic sprach mit Morgan Guberman.

Morgan Guberman: Von Sounds und der Musik war ich eigentlich schon von frühesten Kindesbeinen an fasziniert. Als kleiner Spund fing ich immer zu singen an, wenn ich irgendwelche Musik im Radio hörte. Ich liebte es, zu den Platten von Jackie Wilson meinen Gesang beizusteuern. Das erste Instrument, das ich erlernte, war das Klavier. Ich bekam Unterricht und hatte mit 10 Jahren von diesen stupiden Lernlektionen die Schnauze voll. Ich wollte einfach nicht einsehen, warum ich die Kompositionen von diesem Haufen alter Meister nachspielen sollte, die sowieso keinen Menschen mehr interessierten. Viel spannender war es doch, eigene Kompositionen zu schreiben und neue Klänge auszuprobieren. Das reizte mich viel mehr! Zur Aufnahme benutzte ich damals noch einen alten, tragbaren Kassettenrekorder, ein uraltes Ding! Und ich hab’ damals viele Tapes bespielt...

inMusic: Hast du denn noch Aufnahmen aus deiner Jugendzeit?

Morgan Guberman (lacht): Oh ja, einen ganzen Schrank voll. Es ist richtig komisch, die Sachen nach so vielen Jahren nochmal zu hören. Erst kürzlich habe ich mir einige Tapes aus meiner “Frühphase” angehört. Das war echt lustig, da früher zu meiner Arbeitstechnik gehörte, vor jedem Titel auf Band den Namen der Komposition zu sprechen... Meine Stimme ist mittlerweile mindestens zwei Oktaven tiefer...

inMusic: Auf “Exotic Zoology” spielst du mittlerweile ja auch Bass!

Morgan Guberman: Richtig. Irgendwann bekam ich meinen ersten E-Bass und wechselte schließlich zum Stehbass. Es gab eine Periode von 5 Jahren, wo ich permanent nur elektrischen Bass spielte. Dann traf ich Chuck und spielte elektrischer denn je...

inMusic: Du scheinst überhaupt ein echter Multiinstrumentalist zu sein, wenn man sieht, welche Klangkörper auf “Exotic Zoology” zum Einsatz kamen...

Morgan Guberman: Ja, kann man sagen. Neben Piano und Bass spiele ich auch noch alle möglichen Percussion-Instrumente, Gitarre und Electronics. Das Meiste habe ich mir autodidaktisch beigebracht. In der Vergangenheit habe ich auch schon einige Kompositionen für Streichquartett, Solopiano und Klarinette geschrieben. Das war für mich eine wirkliche Erfahrung, zu lernen, wie man seine Ideen in Notenform zu Papier bringt.

inMusic: Gibt es besondere Lieblingskünstler oder Bands, die du dir privat anhörst?

Morgan Guberman: Das Wort “Lieblings” benutze ich sehr selten. Wenn ich Musik mag, dann geschieht dies leidenschaftlich und uneingeschränkt. Es gibt soviele unglaublich gute Bands und Komponisten. Ich kann dir ja mal einige wenige nennen. Bands: Curlew, Fibulator, Residents, Volapuk, Ruins, Deerhoof, St.Andre, Grand National Brands, Mark Growden's Electric Pinata, Sleepytime, Guerilla Museum, 400 Blows, Spezza Rotto, Happy New Year, Molecules, Darling Freakhead, Schloss. Komponisten: Robert Ashley, Morton Feldman, John Cage, Luciano Berio, Hiener Goebbels, Luis Andriessen, George Crumb, Scelsi, Stockhausen, Penderecki, Arvo Part, Satie, Bartok, Phillip Glass, Julio Estrada, Noncarrow, Alban Berg.

inMusic: Nun mal zu deinem Album “Exotic Zoology”, das du zusammen mit deinem musikalischen Partner Chuck Ehlis eingespielt hast. Was kannst du mir darüber erzählen?

Morgan Guberman: Es war unsere erste musikalische Begegnung im Jahre 1997, die glücklicherweise mitgeschnitten wurde. Ich hatte damals eine Live-Performance am Start, die sich “Yellow Room” nannte. Bay Area Composer Cheryl E. Leonard hatte hierfür einige spezielle Instrumente aus Glas konstruiert. Das Konzert endete damit, dass Chuck und ich zusammen eine Duett-Improvisation spielten. Von da an war uns beiden klar, dass wir einen gemeinsamen, musikalischen Weg gehen mussten. Auf dieser Aufnahme hatten wir so gesehen zum erstenmal die Möglichkeit, mit unseren eigenen Instrumenten zusammen zu spielen. Es gibt ungefähr noch weitere 6 CDs mit “Exotic Zoology”-Material. Chuck und ich kamen schließlich zu der Meinung, dass es am besten wäre, unsere erste musikalische Begegnung für diesen Release zu wählen. Wir hatten noch weitere Veröffentlichungen geplant, doch dann ging Chuck so unerwartet von uns...

inMusic: Er verstarb am 6. Januar vergangenen Jahres bei einem Autounfall?

Morgan Guberman: Ja, leider. Gar nicht weit von seinem Haus. Ein rücksichtsloser Autofahrer hatte ihn angefahren und Chuck erlag seinen Verletzungen. Natürlich war dieser skrupellose Fahrer Schuld, doch das konnte ihm nicht nachgewiesen werden. An Nachforschungen war niemand interessiert...

inMusic: Welche Gefühle hast du, wenn du dir nun im Nachhinein diese unwiederbringbaren Sessions mit Chuck anhörst?

Morgan Guberman: Manchmal zerbricht es mir das Herz, weil ich Chuck so sehr vermisse... Es gibt aber auch Zeiten, wo ich sehr tief in unsere Musik steigen kann und in der Magie des Augenblicks schwelge. Diese Improvisationen sind so hypnotisch, organisch und gefühlvoll.

inMusic: Wirst du denn Exotic Zoology als Projekt zukünftig alleine weiterführen?

Morgan Guberman: Definitiv ja. Ich habe auch schon bereits entsprechendes Material aufgenommen. Außerdem bin ich derzeit noch in zwei anderen Bands involviert: Spezza Rotto, eine virtuose Artrock-Band, wo ich in Italienisch singe und Rooster Fish, ein Heavy Rock-Projekt, wo ich singe und Bass spiele. Außerdem möchte ich demnächst wieder mit meinem Stehbass auf Tour gehen. Ich habe bereits 3 CDs mit diesem Instrument eingespielt. Und dann interessiere ich mich auch noch für Filmmusik. Film ist ein Medium, für das ich musikalisch in Zukunft verstärkt arbeiten möchte.

Rainer Guérich
CD: Exotic Zoology (Frank Mark Arts, CD über
www.frank-mark-arts.com)

 

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