Kristina Böhm
Tröste, wenn du Tränen siehst

Kristina Böhm, die Tochter von Karlheinz Böhm, hat im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester Kathi  nach ihrem Schauspielstudium und TV-Engagements in Serien wie “Ein Heim für Tiere” und “Der Bergdoktor” seit 1995 den Weg abseits des Rampenlichts für sich gewählt. Die verheiratete Mutter dreier Töchter (im Alter von 6, 8 und 10 Jahren) hing die Schauspielerei an den Nagel und widmete sich, relativ zurückgezogen lebend, fortan im schweizerischen Bern dem Familienleben und sozialen Engagements im Krankenhaus.

InMusic: Warum hast du dich denn nun konkret für die Familie entschieden?

Kristina: Ganz einfach deshalb, weil meine Kinder der Atem meines Lebens sind. Es ist schon phänomenal, zu beobachten, wie in ihnen das Leben erwacht, wie sie in den Kindergarten gehen und in die Schule kommen. Dazu all die kleinen Probleme des Alltags. Das ist so wertvoll und mit keiner noch so großen Rolle als Schauspielerin zu vergleichen. Die Zeit geht so schnell vorbei, und dieses Erlebnis wollte ich um keinen Preis der Welt verpassen.

InMusic: Wo genau lebst du denn in Bern?

Kristina: Es ist ein ziemlich idyllischer Vorort von Bern, etwa vergleichbar mit Grünwald in München. Von der Infrastruktur ist aber alles da.

InMusic: Nachdem du die Schauspielerei aufgegeben hast, bist du in einem Krankenhaus in Bern zwei Jahre als Schwesternhilfe tätig gewesen und hast mit “Himmlische Engelsgeschichten” (Anapurna Verlag, München) auch ein Kinderbuch geschrieben, dessen Einnahmen der Stiftung deines Vaters (“Menschen helfen Menschen”) zugute kamen. Wie bist du denn zur Musik und ganz speziell zu den gesungenen Klavierballaden gekommen?

Kristina: Da bin ich mehr oder weniger durch die ganzen Schicksale um mich herum darauf gestoßen. Mein allererstes Lied “Tröste, wenn du Tränen siehst” habe ich beispielsweise vor zweieinhalb Jahren geschrieben, nachdem ich zuvor mit meinen Kindern Spielsachen für die Kinderheime in Sarajevo gesammelt hatte. Mir ging damals dieser Satz durch den Kopf, dass es soviele Tränen auf dieser Erde gibt, die nicht getröstet werden können. Und dann hatte ich im gleichen Winter angefangen, auf einer Krebsstation als Schwesternhilfe zu arbeiten, weil ich einfach einmal direkt beim Leid sein wollte. Ich kann dir nicht genau sagen, was damals für diese Entscheidung maßgeblich war, aber irgendwas hat mich in diese Richtung gedrängt. Die zwei Jahre im Krankenhaus waren eine supertolle Zeit in einem wirklich wunderbaren Team. Und genauso plötzlich hab’ ich dann angefangen, mit Patienten zu singen. Als ich Nachtdienst hatte und eine Patientin überhaupt nicht einschlafen konnte, auch nicht mit Schlaftabletten, ging ich dann um 10 Uhr abends in ihr Zimmer hinein und sagte zu ihr: “Ja, soll ich ihnen eins singen?” (lacht) Ich weiß nicht, wer blöder geguckt hat: sie oder ich. Tja, und dann hab’ ich ihr ein Lied vorgesungen, und sie ist dann tatsächlich eingeschlafen. Das hat sich dann derart schnell im Krankenhaus rumgesprochen, dass ich mit Freude auf der Station insgesamt 18 Lieder (für Gitarre und Klavier) geschrieben habe. Das war eine ganz, ganz intensive Zeit, die im November ‘99 endete, und für mich viele Welten aufgemacht hat. Seitdem versuche ich meine Lieder  so zu schreiben, dass sie wirklich jeden Menschen ansprechen. Jedes Herz spricht irgendwo und irgendwann die gleiche Sprache. Kein Mensch hat den Erfolg oder das Glück für sich gepachtet. Wenn man auf einer Krebsstation arbeitet, wo man mit dem Leid der Angehörigen sehr nah, frontal und brutal konfrontiert wird, begreift man, dass jeder Mensch einen ganz eigenen Weg zu gehen hat. Ich hab’ aber auch unheimlich tolle Erfahrungen gemacht. Eine der schönsten Erlebnisse war, dass ich eine Patientin wirklich jeden Tag gesangsmäßig begleitet habe. Diese Frau hatte den Wunsch, dass ich ihr auch einmal etwas mit meiner Gitarre vorspiele und dazu singe. Dann fiel diese Frau freitags ins Koma. Ich hatte allerdings erst sonntagabends wieder Dienst, und alle anderen Schwestern befürchteten schon, dass sie dann schon nicht mehr leben könnte. Doch ich bin dann sonntags um 16.00 Uhr zu ihr rein und hab’ ihr mit meiner Gitarre etwas vorgesungen. Und sie hat trotz Koma auf meine Musik reagiert und ist dann ganz ruhig gestorben, als ich gegangen bin.

InMusic: Wie würdest du denn deine Balladen auf der CD charakterisieren?

Kristina: Meine Lieder gehen einen sehr stillen Weg. Neulich habe ich beispielsweise bei Ikea eingekauft und wollte dann an der Kasse noch meine Visa-Karte der Verkäuferin zeigen. Doch die etwas reifere Dame hat nur abgewinkt und gesagt: “Gell, sie sind doch die Frau Böhm, die die Lieder für die Menschen im Krankenhaus schreibt.” Und gerade das ist das Schöne. Wenn mich hier in der Schweiz irgendwelche Leute kennen, dann nicht aus irgendwelchen Fernsehrollen, sondern wegen meiner Lieder, die genau das ausdrücken, was ich empfinde. Mein Anliegen ist einzig und alleine, den Menschen zu helfen. Meine Kompositionen gehen einen sehr stillen Weg.

Rainer Guérich

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